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Köln.Sport

Der Koloss von Köln

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Das Leben hat Manuel Charr einige Niederlagen beschert, aber auch immer wieder neue Chancen gegeben. Eine davon will der Kölner Boxprofi am 25. November nutzen, wenn er um die WM im Schwergewicht kämpft.
Manuel Charr schuftet

Manuel Charr bestritt 21 Profikämpfe ohne Niederlage, ehe er Vitali Klitschko herausfordern durfte. In Runde Vier brach der Ringrichter den ungleichen Kampf ab, Klitschko siegte durch Technischen K.o. (Foto: imago/Eduard Bopp)

Die Liebe zu Köln ist für Manuel Charr kein leeres Geschwätz, sondern ein zentraler Lebensinhalt. Passend dazu hat der Schwergewichtsboxer das Nobelhotel „Excelsior Ernst“ im Herzen der Stadt als Location für seine Pressekonferenz ausgewählt. Im Schatten der Domtürme spricht der „Koloss von Köln“ über seinen nächsten Kampf. Dieser eröffnet ihm die große Chance, den Weltmeistergürtel des Verbandes World Boxing Association (WBA) zu erobern. Allerdings steigt das WM-Duell gegen den Russen Alexander Ustinov (40) am 25. November nicht in seiner Heimatstadt, sondern in der Oberhausener König-Pilsener-Arena.

„Ich hätte mir natürlich die Lanxess-Arena gewünscht, aber sie ist leider komplett ausgebucht“, erklärt Charr. Ein solches „Heimspiel“ möchte er jedoch nach dem Titelgewinn unbedingt nachholen. Der 33-Jährige mit libanesisch-syrischen Wurzeln lebt seit vielen Jahren in Köln, genauer gesagt in der Südstadt. „Hier kann ich ‚ich‘ sein. Wenn ich im Café sitze, bin ich mit den reichsten und mit den ärmsten Menschen zusammen“, erzählt Charr.

Und wenn ein mittelloser Mitbürger vorbeilaufe, dann würde er diesen spontan schon mal zum Kaffee einladen und sich mit ihm unterhalten. „Ich gebe jedem eine Chance, weil jeder sie verdient hat“, findet er. Charr spricht dabei aus Erfahrung. Das Leben war nicht immer fair zu ihm, doch es hat ihm auch manch neue Chance gegeben.

„Die schwerste Zeit“

Mahmoud Omeirat Charr wird am 10. Oktober 1984 in Beirut, Libanon, geboren. Dort tobt ein grausamer Bürgerkrieg, dem sein syrischer Vater zum Opfer fällt. „Die erste Kugel, die in meinem Bein zersplitterte, habe ich überlebt“, erinnert sich Charr. „Ich wurde danach erfolgreich in einem amerikanischen Krankenhaus in Beirut operiert.“ Die Mutter flüchtet 1989 mit dem Fünfjährigen und fünf seiner sieben Geschwister nach Deutschland. Es folgt die „schwerste Zeit“ seines Lebens, wie er bekennt. „Von da an habe ich mich von der Straße bis zur Weltmeisterschaft hochgeboxt. Mein ganzes Leben war ein Kampf. “

Seine erste WM-Chance erhält der „Diamond Boy“ am 8. September 2012. In Moskau fordert Charr WBC-Champion Vitali Klitschko heraus (s. Kasten auf Seite 40). In Runde vier zieht sich der Underdog einen stark blutenden Cut oberhalb des rechten Auges zu. Der Ringrichter Guido Cavalleri aus Italien bricht daraufhin das Duell ab, begleitet von wütenden Protesten des Kölner Schwergewichtlers. In den folgenden Jahren arbeitet sich Charr in der Rangliste nach vorne, aber Verletzungen und Niederlagen werfen den ehrgeizigen Fighter immer wieder zurück. Zwischen Mai 2014 und August 2015 muss er in fünf Kämpfen drei Niederlagen einstecken, zwei davon durch Knockout.

In die Schlagzeilen schafft er es dennoch – sei es durch eine Teilnahme am TV-Format „Promi Big Brother“ oder durch eine Liebesaffäre mit Katia Ronaldo, der Schwester des portugiesischen Fußballstars Cristiano Ronaldo. Auch durch eine Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Weltmeister im Schwergewicht und Klitschko-Bezwinger Tyson Fury auf der Fitness-Messe „FIBO“ in Köln, gerät Charr wieder in die Öffentlichkeit. Am 2. September 2015 bringt eine lebensbedrohliche Situation den Kölner Boxer in die Schlagzeilen. Provokationen in den sozialen Netzwerken leiten den Deutsch-Libanesen in eine Essener Dönerbude – dort wird er von Youssef H. niedergeschossen. Eine Notoperation rettet Charr das Leben.

Stehaufmännchen

Doch nur neun Monate später steht der ehrgeizige Fighter wieder im Ring, besiegt in Kassel den Weißrussen Andrei Mazanik durch Technischen K.o. Doch eine lange Narbe an Charrs Oberkörper, von der Brust abwärts bis zum Bauchnabel, erinnert an die schreckliche Tat. So ist Manuel Charr nicht nur der „Bauchschuss-Boxer“ (Boulevardblatt „Express“), sondern auch das Stehaufmännchen der Boxbranche. Und es passt in seine Vita, dass ihn auch eine schwere Hüftoperation nicht stoppen konnte. Im Mai dieses Jahres ließ Charr eine angeborene Dysplasie operativ beheben.

Es hätte das Ende seiner Boxkarriere sein können. Doch der Koloss von Köln meistert auch diese schwere Situation – und boxt nur ein halbes Jahr später um eine Weltmeisterschaft. Nun gilt es, am 25. November Boxgeschichte zu schreiben. Kurz vor Redaktionsschluss dieser Köln.Sport-Ausgabe stand Manuel Charr dem Fachmagazin „BOXSPORT“ ausführlich Rede und Antwort. 

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