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Köln.Sport

Bayer therapiert sich in der Champions League

Verteidiger Giulio Donati sorgte mit seinem Tor für den Führungstreffer gegen St. Petersburg. Foto: imago / revierfoto

Sorgte mit seinem Tor für den Führungstreffer gegen Zenit: Bayer-Verteidiger Giulio Donati.
Foto: imago / revierfoto

Bayer Leverkusen feiert in der Champions League einen 2:0-Erfolg gegen Zenit St. Petersburg. Neben wichtigen Punkten und einer guten Ausgangsposition für die zweite Hälfte der Gruppenphase gewinnt die Werkself vor allem an Erkenntnis.

Wäre Roger Schmidt nicht erfolgreicher Fußballtrainer, er könnte sein Geld wohl auch beim Poker verdienen. Der Trainer, der mit seiner offensiven Fußball-Philosophie grade in der Frühphase der Saison für Leverkusener Verhältnisse überbordende Euphorie ausgelöst hatte, beherrscht den gegen jegliche Interpretation immunen Blick.

Doch Schmidt ist eben ein erfolgreicher Trainer, wie gegen St. Petersburg endlich wieder bewiesen. Und es verwundert kaum, dass der Bayer-Coach auf der Pressekonferenz nach dem zweiten CL-Sieg in Folge nicht gleich in Jubelstürme ausbrach, sondern das Geschehene sachlich einordnete und seine positiven Rückschlüsse zog: „Wir haben ein gutes Spiel gemacht und einen verdienten Sieger gesehen”, sagte Schmidt und freute sich über die gesamten 90 Minuten seiner Elf: „Wir haben es in der zweiten Halbzeit konsequent zu Ende gespielt”, so dass Fazit des Trainers.

Vorbild BVB – Therapie Champions League

Konsequenz, die Bayer in den letzten Wochen wahrlich hatte vermissen lassen. Lars Bender analysierte deshalb auch exakt wie der Trainer: „Schön, dass wir es mal zu Ende gespielt haben“, sagte der Kapitän nach dem Spiel. Zu Ende spielen – exakt das ist, was Bayer in den letzten Wochen in der Bundesliga nicht umgesetzt hat. Torgefährlichkeit, Ballbesitz, Konterstärke. An all dem mangelte es dem Schmidt-Team zuletzt nicht. Dafür umso mehr an der viel zitierten Konsequenz.

Von einer Horror-Serie wie beispielsweise die der Kollegen aus Dortmund ist die Werkself in der Bundesliga zwar weit entfernt, drei Unentschieden aus den letzten drei Spielen sind für Bayer dennoch zu wenig. Doch was der Konkurrent aus Dortmund seit Wochen „erfolgreich“ praktiziert, wirkt auch bei Bayer: Die Therapie Champions League.

Geduld als Schlüssel zum Erfolg

Dabei hatte das Spiel durchaus schleppend und damit absolut Bayer-untypisch begonnen. Torchancen waren im ersten Durchgang Mangelware, was zum einen an der defensiven Ausrichtung der Russen lag, zum anderen aber auch an der Leverkusener Grundordnung. Das Schmidt-Team stand deutlich tiefer, als bei seinen bisher meist gebotenen Attacke-Orgien und lief die Russen nicht schon direkt am eigenen Sechzehner an. Eine taktische Ausrichtung, die sich am Ende bezahlt machen sollte, auch wenn im ersten Durchgang zunächst nicht so viel zusammen lief und Torgefahr eher durch Einzelaktionen, wie denen von Donati (35.) und Calhanoglu (37.), annähernd aufkam.

Zwar hatte Schmidt auch nach der verschenkten 3:0-Pausenführung von Stuttgart keinen Anlass, seine auf offensives Spektakel ausgelegte Spielphilosophie grundsätzlich zu hinterfragen, aber die Notwendigkeit von taktischen Feinjustierungen, die auch schon seine Spieler, allen voran Hakan Calhanoglu („Wir müssen lernen, auch mal die Bremse zu ziehen“) gefordert hatten, hat auch der Trainer erkannt.

Donati und Papadopoulos – von Sorgenkindern zu Matchwinnern

Gesagt getan. Der Lohn folgte. Ausgerechnet der nicht unumtrittene Rechstverteidiger Giulio Donati war es, der nach feinem Zuspiel von Calhanoglu die lang ersehnte Führung erzielte. Die Geduld hatte sich ausgezahlt, Leverkusen nutzte die erste Situation, in der die Russen ungeordnet standen und Bayer dadurch Räume boten. Dass der für den angeschlagenen Spahic eingewechselte Papadopoulos mit seiner ersten Aktion das vorentscheidende 2:0 erzielte, lieferte den engültigen Beweis für die richtige Herangehensweise des Trainers.

Bayer steht mit sechs Punkten aus drei Spielen an der Spitze der Gruppe und hat nun beste Chancen, das Achtelfinale erneut zu erreichen. Das sah nach dem Spiel auch Schmidt so, der der aktuellen Tabellenführung aber keine Bedeutung zusprechen wollte: „Es spielt keine Rolle, dass wir nach drei Spielen Erster sind. Aber wir haben jetzt sicher beste Chancen aufs Weiterkommen”, so der rundum zufriedene Trainer.

Hiobsbotschaft am Morgen, Punkte am Abend

Zufriedenheit dürfte allerdings nicht nur bei Bayers Trainer das vorherrschende Gefühl des Abends gewesen sein, denn die Nachricht, dass der Klub 16 Millionen Euro an Gläubiger des insolventen Ex-Sponsors „TelDaFax“ zurückzahlen muss, hatte auf der Bayer-Geschäftsstelle am Morgen sicher heftig aufs Gemüt geschlagen und dürfte das Verlangen nach einem Erfolg gegen Zenit bei den Verantwortlichen nur verstärkt haben.

Drei Punkte in der Champions League, die Erkenntnis, dass auch Geduld und Fleiß ans Ziel führen können und die Tatsache, dass ausgerechnet Sorgenkinder wie Donati und Papadopoulos den Weg zum Erfolg ebneten, setzten den perfekten sportlichen Kontrastpunkt zur vorausgegangenen wirschaflichen Hiobsbotschaft. Bayer ist wieder in der Spur und will jetzt auch in der Liga den Mantel des Unentschieden endlich ablegen und wieder voll punkten.

Am Samstag wartet auf Schmidt und sein taktisch upgegradetes Team mit Schalke 04 ein Gegner, der mit neuem Trainer ebenfalls erfolgreich in der Champions League agierte, allerdings ohne jeglichen therapeutischen Effekt. Und vielleicht sieht man gegen die in der Abwehr teilweise unsicheren Königsblauen dann auch wieder etwas mehr von Leverkusens Abteilung Attacke.

David Vorholt