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Köln.Sport

Doppelspitze als Innovation

Seit 1. Juli führen Daniel Meyer und ­Carsten Schiel (v.l.) als Doppelspitze das ­Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des 1. FC Köln. In Köln.Sport spricht die neue Leitung über Erfahrungen, Ziele und neue Wege im Jugendfußball Foto: 1. FC Köln

Seit 1. Juli führen Daniel Meyer und ­Carsten Schiel (v.l.) als Doppelspitze das ­Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des 1. FC Köln. In Köln.Sport spricht die neue Leitung über Erfahrungen, Ziele und neue Wege im Jugendfußball
Foto: 1. FC Köln

Seit 100 Tagen führt eine Doppelspitze das ­Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Köln. Ein Gespräch über Erfahrungen, Ziele und neue Wege im Jugendfußball. 

Daniel Meyer (36) war in der vergangenen Saison als Sportlicher Leiter und Trainer der A-Junioren des Halleschen FC tätig. Davor arbeitete der 36-Jährige als Jugendtrainer beim FC Energie Cottbus. Im Jahr 2015 erwarb Meyer die Fußballlehrer-Lizenz des Deutschen Fußballbundes an der Hennes-Weisweiler-Akademie.

Carsten Schiel (44) hat im Jahr 2001 sein Psychologiestudium an der Universität Trier erfolgreich abgeschlossen. Danach war er als Trainer, Berater und seit 2004 als Sportpsychologe tätig. Unter anderem betreute er die deutsche Frauen-Hockeynationalmannschaft bei Olympia 2008 und 2012 und bei Welt- und Europameisterschaften.

Herr Meyer, Herr Schiel, Sie sind nun seit 100 Tagen die neue Doppelspitze des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) des 1. FC Köln. Wie sahen Ihre ersten Arbeitsschritte aus?
Daniel Meyer: Wir hatten und haben den großen Vorteil, dass uns in der Eingewöhnungsphase Jörg Jakobs zur Seite steht, der den Nachwuchs in der Zeit nach Frank Schaefer geführt hat. Das hat uns den Start unheimlich erleichtert. In den ersten Tagen haben wir in alle Abteilungen geschaut und ein gutes Gefühl für das neue Arbeitsumfeld entwickelt. Wir sind relativ schnell mit der U21 ins Trainingslager gefahren und waren nah an der Mannschaft.

Carsten Schiel: Wenn man neu in einen Verein kommt, ist es erstmal wichtig, zu sehen, wie die Abteilungen strukturiert sind und das System tickt. Wir haben uns eingefühlt und sind als Beobachter in die Analyse gegangen und haben unseren Eindruck geschärft.

Warum ist eine Doppelspitze aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Schiel: Wir haben die Beobachterposi­tion genutzt, um den Verein gemeinsam zu erleben. Da ist ziemlich schnell deutlich geworden, wie viele Überschneidungspunkte es gibt. Sportliches und Nicht-Sportliches lässt sich im Jugend­bereich nicht trennen.

Meyer: Die Aufgaben sind so komplex, das kann eine Person alleine eigentlich gar nicht leisten. Die fußballnahen Themen sind so eng mit Aufgaben in der Geißbock-Akademie oder dem sportpsychologischen Projekt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule verbunden, dass man viel Zeit braucht, um diese Themen gewissenhaft zu bearbeiten. Wenn das nur eine Person macht, wird es schwer, in der Tiefe allen Facetten gerecht zu werden.

FC-Präsident Werner Spinner nennt „neue und innovative Wege“ als Ziel für den Nachwuchs. Was genau schwebt Ihnen diesbezüglich vor?
Schiel: Ich glaube, das System der Doppelspitze ist in der Form ein inno­vativer Weg. Dabei wollen wir die Entwicklung jedes einzelnen Spielers noch mehr fördern und ihm Beachtung schenken. Die Frage ist, wie man dies umsetzt, und ich glaube, dass wir Ideen­ haben und Ansatzpunkte finden, dies entsprechend professionell zu tun.

Als Sportpsychologe haben Sie mit Olympiasiegern, Welt- und Europameistern gearbeitet. Gibt es Unterschiede in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?
Schiel: Spannend ist, dass jede Sportart ein eigenes, in sich geschlossenes System darstellt. Jeder Sport hat seine­ eige­nen Facetten und bestimmte Anfor­derungen. Letztendlich gilt es in jeden Sport einzutauchen und zu prüfen, wie man dem Einzelnen Lösungsmuster an die Hand geben kann, um sich zu verbessern. Gerade der Jugendfußball birgt die Chance, viel größeren Einfluss zu nehmen und viel umzusetzen. Jeder Olympiasieger hat schon eine Geschichte hinter sich, unsere Nachwuchsspieler stehen noch am Anfang ihrer Karriere. Im Jugend­alter kann insbesondere die sportpsychologische Betreuung einiges bewirken.

Thema Persönlichkeitsentwicklung: Wie stellt sich der 1. FC Köln der Verantwortung einer umfassenden Ausbildung seiner Spieler?
Schiel: Wir haben eine Fürsorgepflicht für unsere Spieler und wissen um unse­re Verantwortung. Nicht nur weil wir gewährleisten müssen, dass die fußballerische Ausbildung nicht zulasten der schulischen geht, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass es für den Sport förderlich ist, wenn ein Spieler auch die Anforderungen in der Schule­ erfüllen kann. Wichtig ist, dass wir regel­mäßig Gespräche mit unseren Spielern führen und ehrliches Feedback geben. Wir müssen nah dran sein und auch den Austausch zwischen dem Trainer und dem Spieler intensivieren.

Wie bewerten Sie den im Nachwuchsbereich herrschenden Spagat zwischen­ kurzfristigem Erfolg und langfristiger Entwicklung?
Meyer: Wir sind davon überzeugt, dass die Einzelentwicklung ohne mannschaftlichen Erfolg schwer ist. Generell stellen wir die individuelle Entwicklung aber in den Vordergrund. Die Frage sollte­ grundsätzlich nicht lauten, was am Spieltag der bestmögliche Weg ist, ein Spiel zu gewinnen, sondern welches die beste Möglichkeit ist, die entscheidenden Spieler so einzusetzen und zu fördern, dass sie sich bestmöglich entwickeln. Diesen Prozess versuchen wir derzeit noch zu intensivieren.

Was gibt es auf dem Weg zu einem ligaweit führenden NLZ noch zu tun?
Meyer: Die Frage ist immer, an welchen Faktoren man das festmachen will. An den Jungs, die den Sprung schaffen, an der Zahl der Titel oder der Intensität der Betreuung? Wir sind in vielen Punkten sehr gut aufgestellt. Wichtig ist, dass man sich stetig entwickelt. Das ist unser­ Ziel, auch wenn wir durch unse­re Infrastruktur etwas limitiert sind. In vielen Bereichen sieht man die Bereit­schaft des Vereins, Entwicklungen voranzutreiben. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um Erfolg zu haben. Gerade im Nachwuchs ist es wichtig, auch mal nach links oder rechts zu schauen, was andere Vereine vielleicht besser machen und wo allgemeine Entwicklungstendenzen hingehen. An uns liegt es, intern die entsprechenden Prozesse anzustoßen. Wobei ganz klar ist, dass wir in diesem Bereich beim 1. FC Köln ein hohes Ausgangsniveau haben.

Welche Folgen hätte aus Ihrer Sicht eine räumliche Trennung von Profis und NLZ?
Schiel: Wir brauchen den Austausch und die kurzen Wege. Eine räumliche Trennung wäre nicht förderlich.

Meyer: Eine räumliche Trennung wäre ein extremer Eingriff in die Clubkultur. Die Identifikation innerhalb des Vereins basiert darauf, dass es keine Barrieren gibt, sondern das Miteinander gelebt wird. Wenn man etwas auseinander schieben würde, wäre es ein herber Einschnitt und würde bedeuten, dass der 1. FC Köln auch ein wichtiges Argument bei Verhandlungen mit interessierten Spielern verliert, die den unbedingten Karrierewunsch haben, beim FC Profi werden zu wollen, eben weil der Verein etwas Besonderes darstellt. Die Gefahr wäre groß, dass unsere Spieler anfälliger für Abwerbeversuche werden könnten. Aktuell ist der Verein da resistent, weil die Identifikation unserer Nachwuchsspieler mit dem Verein extrem hoch ist.

Das Gespräch führte Stefan Kühlborn